An jenem Morgen, als wir ihn am Ende des Papiermühlentals suchten, sagte man uns, er sei wie jeden Samstag in den Bergen: beim alten Kloster, bei der Schule für kleine Mädchen. Die Straße ging sehr steil bergauf, machte eine Kurve, eine weitere Kurve… Ich erinnere mich an dieses seltsam stille, massive Kloster auf einem Vorsprung, das wie ein Balkon in die Leere ragt. Es war kein Geräusch zu hören. Als ich zufällig eine Tür aufstieß, fand ich Henri Charlier dort stehen, ein Buch in der Hand, vor zwei Dutzend kleinen Mädchen, denen er den Gottesdienst des nächsten Sonntags erklärte… Denn dort, im Messbuch, befinden sich die großen Texte, die alles sagen, gemäß dem Zyklus des Jahres; und das ist es, woran man festhalten muss, diese Wirklichkeit selbst, dass das Jahr seinen Zyklus beschreibt und das Buch sich an alle richtet… Am hintersten Eck des ärmlichen Raumes, in dieser hoch im Nebel verlorenen Schule, fand ich diesen Bauern, der zu den Naturgegebenheiten und zum Ursprung zurückkehrte, wie er vierundzwanzig kleinen Dorfmädchen die Liturgie lehrte. Es gab keinen Anlass zur Überraschung. Um den Bauern die Kulturelemente zurückzugeben, die ihnen einst die Kirche und ihre eigene Sitte der Lieder und Tänze lieferten, hat sich Henri Charlier seit einem Vierteljahrhundert zum Gesangslehrer an einer Dorfschule gemacht. Er kann sich auch zum Theologieprofessor machen. Und ich glaube, er ist mehr: ein Theologe.

Henri Pourrat (1887-1959)
Schriftsteller

„Die Liturgie hat für die Leidensgeschichte, die in der Karwoche viermal nach jedem der Evangelisten gesungen wird, eine dramatische Ordnung geschaffen, die so perfekt ist wie die des griechischen Dramas. Zwei Hauptdarsteller: der Erzähler und Christus; eine dritte Rolle, die der jüdischen Menge, wird von der Schola, oder besser noch, von der gesamten Zuhörerschaft übernommen. Jede der Rollen hat ihre eigene Stimmlage: Der Sprecher singt in einer mittleren Lage, Christus in einer tiefen Lage und die Synagoge in einer hohen Lage. Es gibt also drei Melodielinien, und jeder Satz des Textes passt sich mit seinem eigenen Rhythmus der ein für allemal festgelegten Melodie an. Für einen Musiker, der das Malerische suchte, boten die Szenen der Passion viele Aufhänger: die Verhaftung im Ölgarten, das Verhör im Haus des Hohenpriesters mit der Menge der Sklaven und Petrus unter ihnen, die Szene im Prätorium und der Dialog mit Pilatus… Er hätte uns die Umwälzung der Elemente suggerieren können, wenn die neunte Stunde geschlagen wird. Der gregorianische Komponist zog dem eine einfache Erzählung auf drei melodischen Linien vor, aber die Beziehung zwischen diesen drei Linien ist so treffend gewählt, dass das ganze Wesen des großen Dramas der Erlösung zum Ausdruck kommt: Was macht dann der Rest aus? Es ist alles da. Nach dieser dramatischen Erzählung der Leiden Christi wird die Lesung mit dem Ton des Evangeliums abgeschlossen, und für diesen letzten Teil beginnt in jedem Satz eine bewundernswerte Melodie mit einer erstaunlichen Vokalise auf der ersten Silbe, ähnlich den großen, stark verzierten Großbuchstaben, die man in alten Manuskripten findet. Die ganze Kunst des Musikers bestand darin, die Kadenz zu finden, deren Fallhöhe in einem angemessenen Verhältnis zum anfänglichen Schwung steht. Ich kenne nichts in der Musik, was einem mehr das Gefühl der erreichten Vollkommenheit vermittelt.“

André Charlier (1895-1971)
Lehrer und Direktor der École des Roches, Schriftsteller